Anwalt kommt nicht – Nach Demo in Kriebethal: Rechter aus Döbeln sitzt allein auf der Anklagebank

Eine rechtsextreme Demo in Kriebethal hat ein juristisches Nachspiel. Stefan Trautmann soll eine Journalistin und ihre Begleiter genötigt haben. Im Amtsgericht Döbeln bestritt er den Tatvorwurf. Doch der Richter verurteilte ihn trotzdem.

Stefan Trautmann stand wieder vor Gericht in Döbeln. Nachdem ihm die Strafrichterin im Oktober wegen einer Versammlungsstraftat in Waldheim zu einer Geldstrafe verurteilt hatte, sprach Richter Wolfgang Dammer den Döbelner Neonazi jetzt der Nötigung in Kriebethal schuldig. Beide Urteile sind nicht rechtskräftig.

Der Prozess am Montag begann mit Warten und Telefonieren. Stefan Trautmanns Wahlverteidiger, Rechtsanwalt Martin Kohlmann, war nicht zur Verhandlung erschienen. Er würde nicht ans Telefon gehen, sagte der Angeklagte. Auch Richter Dammer versuchte erfolglos, Martin Kohlmann zu erreichen.

Verhandlung ohne Kohlmann

Nachdem ihn der Richter belehrt hatte, entschied der 36-Jährige, sich selbst zu verteidigen und ohne Anwalt zu verhandeln. Stefan Trautmann bestritt den Tatvorwurf, am 20. Januar 2023 in Kriebethal Leute geschubst zu haben, die eine Journalistin schützten.

An diesem Tag hatten die rechtsradikalen Freien Sachsen mal wieder gegen die geplante Unterkunft für minderjährige Flüchtlinge demonstriert. Die Journalistin sollte darüber nicht berichten, weswegen der Angeklagte handgreiflich geworden sei, sagte die Anklage. Trautmann war Leiter dieser Versammlung.

„Am besagten Tag ist uns die sogenannte Journalistin aufgefallen. Sie hat Profilbilder von den Teilnehmern angefertigt“, sagte Stefan Trautmann. Andere Demonstranten hätten ihn darauf aufmerksam gemacht. Daraufhin habe er die Journalistin gebeten, das Versammlungsgelände zu verlassen, aber niemanden geschubst.

„Die Anzeige ist doch nur eine Retourkutsche, weil ich zuvor eine Körperverletzung angezeigt hatte“, sagte Stefan Trautmann. Dieses Verfahren sei jedoch eingestellt worden. Er wollte noch ein Video davon zeigen. Aber das ließ Richter Dammer nicht zu. „Ich brauche mir kein Video anzusehen, das mit dem angeklagten Sachverhalt hier nichts zu tun hat, Herr Trautmann“, sagte der Vorsitzende.

Vor Drohkulisse zurückgewichen

Stattdessen hörte der Richter einen Zeugen. Der 37-Jährige ist studierter Forstwirt und ehrenamtlich als Security tätig. „Wir hatten an diesem Tag den Auftrag, die Journalistin zu schützen“, sagte er. Die Frau habe auf der Versammlung gefilmt. „Herr Trautmann kam in Begleitung mehrer Herren auf uns zu“, sagte der Zeuge.

Trautmann habe angefangen zu schubsen. „Ob er mich selbst geschubst hat, kann ich gar nicht mehr so genau sagen. Aber den Kollegen neben mir hat er auf alle Fälle geschubst.“ Wegen der Drohkulisse und um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen, hätten er, sein Kollege und die Journalistin den Versammlungsort verlassen.

Journalistin recherchiert zur rechte Szene

Der 37-Jährige war an besagtem Tag im Januar mit einem Kollegen in Kriebethal im Einsatz, von dem er aber nur den Vornamen kennt. Das ist wiederum aus Sicherheitsgründen so. „Wir wollen beispielsweise nicht, dass ein Herr Kohlmann Namen erfährt“, sagte er mit Blick auf den abwesenden Rechtsanwalt. Dieser Jurist ist Vorsitzender der rechtsextremen Kleinpartei „Freie Sachsen“. Zudem verteidigt er oft Angehörige der rechten Szene und war in dieser Rolle auch schon häufig im Amtsgericht Döbeln zu erleben.

Aber wer ist eigentlich diese ominöse Journalistin, von denen in den Aussagen ständig die Rede ist? Sie arbeite freiberuflich und dokumentiere Veranstaltungen und Aktionen der rechten Szene, erklärte der Zeuge auf Nachfrage in einer Verhandlungspause.

Mit Gewaltdelikten vorbestraft

„Die Tat zeigt eine demokratiefeindliche und rechtsextreme Haltung, freien Journalismus abzublocken“, sagte Staatsanwalt Wagner. Er bescheinigte dem Angeklagten zwar, seit 2007 nicht mehr mit Taten eines „rechtsextremen Intensivtäters“ aufzufallen. „Zumindest kommen dann keine Gewalttaten mehr, man könnte meinen, der Angeklagte ist auf dem Weg der Besserung“, so der Staatsanwalt.

15 Einträge stehen aktuell im Strafregister Stefan Trautmanns, vier davon wegen gefährlicher Körperverletzung. Nach 2007 folgen Einträge wegen Waffen- und Sprengstoffvergehen, Hausfriedensbruchs, Betruges und Computerbetruges. Als einziger gefängnisähnlicher Aufenthalt stehen zwei Wochen Jugendarrest wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung in seinem Auszug aus dem Bundeszentralregister.

Staatsanwalt Wagner forderte nun eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu 15 Euro wegen Nötigung für Trautmann. Richter Dammer verurteilte Stefan Trautmann schließlich zu 80 Tagessätzen á 30 Euro Geldstrafe. „Ob die im Bundeszentralregister aufgeführten Verurteilungen wegen rechtsextremer Taten erfolgten, kann ich nicht beurteilen“, sagte er. Der Richter hielt den Zeugen für glaubwürdig, gerade weil er angab, sich an den Angriff auf sich nicht mehr genau erinnern zu können, an den auf seinen Kollegen aber schon. „Sonst hätte er es genau andersrum erzählt.“

Durch sein Verhalten hat der Angeklagte nach Ansicht des Richters genau das getan, was den Tatbestand der Nötigung erfüllt: Jemanden mit Gewalt rechtswidrig zu einer Handlung gezwungen, in diesem Fall zum Verlassen des Versammlungsraumes.


Jens Hoyer 04.12.2023

Döbelner Aktivist der Freien Sachsen wegen Nötigung verurteilt

Stefan Trautmann war wegen eines Übergriffs in Kriebethal angeklagt. Dort hatte er gegen die Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen demonstriert.

Das hätte er billiger haben können: Stefan Trautmann, bekannter Döbelner Rechtsaktivist und ehemaliger Stadtrat der NPD, ist am Montag vom Amtsgericht Döbeln zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Als Anmelder für eine Kundgebung der rechtsradikalen „Freien Sachsen“ gegen das Heim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Kriebethal hatte er einen Strafbefehl wegen Nötigung bekommen.

Widerspruch gegen Strafbefehl

Er ging dagegen in Widerspruch. Die Strafe, die Richter Wolfgang Dammer verhängte, ist eine Nummer größer ausgefallen.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Trautmann (36), soll als Leiter der Kundgebung am 20. Januar dieses Jahres eine Journalistin mit zwei Begleitern aufgefordert haben, die Veranstaltungsfläche in der Mitte von Kriebethal zu verlassen. Und er habe die beiden Männer dabei geschubst, was in diesem Falle den Tatbestand der Nötigung darstellt.

Einer der beiden „Bodyguards“, ein 37 Jahre alter Dresdner, sagte vor Gericht als Zeuge aus. Er habe mit einem Begleiter vor der Journalistin gestanden und habe sie abgeschirmt. Die Frau habe einen Redebeitrag filmen wollen.

Vier Leute aus der Versammlung, Trautmann an der Spitze, seien auf sie zugekommen. Ob er selbst von Trautmann geschubst wurde, wisse er nicht mehr genau. Aber sein Begleiter auf jeden Fall.

Die Gruppe habe sich, um zu deeskalieren, daraufhin einige Meter zurückgezogen. Ein Filmen des Redebeitrags sei dann nicht mehr möglich gewesen.

Döbelner stellte ebenfalls Anzeige

Trautmann stellte die Anzeige des Dresdners als „Retourkutsche“ dar. Er habe seinerzeit Anzeige wegen Körperverletzung gestellt.

„Aber das ist natürlich im Sande verlaufen“, so der Döbelner. Die „sogenannte Journalistin“ sei sehr nahe an die Teilnehmer der Kundgebung herangekommen und habe Aufnahmen gemacht.

„Wenn man Leuten ins Gesicht fotografiert, ist da ein Konfliktpotenzial. Mich haben mehrere Teilnehmer mit der Bitte angesprochen, das zu unterbinden.“

Er habe die Personen aufgefordert, die Fläche zu verlassen, auch die Hand vor die Kamera gehalten. Er selbst habe gar nicht geschubst, für seine Mitstreiter wollte Trautmann das nicht ausschließen.

Wie der Zeuge in einem Gespräch sagte, ist er ehrenamtlich bei solchen Veranstaltungen unterwegs, um Journalisten vor Angriffen abzuschirmen. Bei der besagten Frau handele es sich um eine freie Journalistin, die unter Pseudonym über die rechtsradikale Szene berichtet.

Richter Wolfgang Dammer verurteilte Trautmann zu 80 Tagessätzen zu 30 Euro und blieb bei der Höhe der Geldstrafe noch deutlich über dem Antrag des Staatsanwalts.

Wenn Trautmann den Strafbefehl akzeptiert hätte, wäre er mit 60 Tagessätzen davongekommen.

Berufung gegen Urteil als Option

Der Rechtsaktivist hatte schon zu Beginn der Verhandlung über eine Option im Falle einer Verurteilung gesprochen: nämlich gegen das Urteil des Amtsgerichts in Berufung zu gehen.

In der jüngeren Vergangenheit war er damit zweimal beim Landgericht Chemnitz erfolgreich gewesen. Deshalb war es auch bei 15 Vorstrafen geblieben, die der 36-jährige seit Anfang der 2000er-Jahre angesammelt hat.

Bei der Verhandlung am Montag saß Trautmann ohne Rechtsvertreter vor Gericht. Sein Anwalt Martin Kohlmann aus Chemnitz, Gründer der „Freien Sachsen“, war der Verhandlung unentschuldigt ferngeblieben.